Filmlook mit dem iPhone

Cinematic Baltic Sea

So geht echter Filmlook mit dem iPhone

Zwei Wochen verbrachte ich an Dänemarks Nordseeküste. Das Haus, in dem ich vor Ort entspannte und etwas arbeitete, lag 900 Meter vom Meer entfern. An den nicht vorhandenen Gartenzaun grenzte eine Heidelandschaft. 

Eine Kamera hatte ich diesmal nicht dabei, nur mein iPhones 13 Pro mit ein paar Spielereien: Gimbal, anamorphe Vorschraublinse, variabler ND-Filter, externes Mikrofon und Ministativ. Genau das richtige, um auszutesten, was mit dem Smartphone geht, in Sachen bestmöglicher Qualität und cinematischem Anspruch.

Aufnahmeeinstellungen

Meine App der Wahl war FiLMiC Pro (Legacy). Aufgenommen habe ich in UltraHD, ProRes 422 und in Log, Belichtung, Fokus und Weißabgleich manuell eingestellt. Den fertigen Film wollte ich mit den kinotypsichen 24 Bilder pro Sekunde schneiden. Gedreht habe ich dafür in 30 fps, um diese im Schnitt auf 80% Geschwindigkeit zu verlangsamen (= 24 fps) und so eine leichte Slow Motion zu erhalten. Der Unterschied von Shutter 1/48 auf 1/60 (bei eingehaltener 180-Grad Regel) ist nicht so ins Gewicht gefallen, dafür hat der Vario-ND Filter hat beim Einfangen der Belichtung extrem geholfen. Der Shot vom Sonnenuntergang ist FiLMiCinternen Timelapse aufgenommen. Wenn dir du dir jetzt gerade am Kopf kratzt, weil dir die Begriffe und Ziffern nicht alle geläufig sind, dann lies doch mal hier rein: BESSERE HANDY VIDEOS.

Herausforderungen

Dummerweise war das Handy mit anamorpher Linse und vorgesetztem Filter zu schwer für den Gimbal, so dass ich alle Aufnahmen aus der Hand drehen musste. Damit es nicht zu sehr wackelte, war meistens die interne Bildstabilisation von FiLMiC Pro in der höchsten Stufe aktiviert. Was den Dreh außerdem schwierig gestaltete, war die Tatsache, dass es sich bei der Heidelandschaft und in den Dünen bzw. am Strand um eine relativ eintönige Umgebung handelte. Die ist zwar super schön anzusehen, aber inszeniert sich nicht von selbst. Mehr als hier und da was in den Vordergrund setzen ist nicht wirklich möglich gewesen. In meinem Setup hatte ich auch nur zwei Festbrennweiten genutzt (Standard- und Zoomlinse), wobei fast ausschließlich die Standard-Linse im Einsatz war. Die anamorphe Vorschraublinse ständig umzusetzen macht einfach keinen Spaß. Noch während dem Dreh musste ich anfangen, die Aufnahmen, die nicht funktioniert hatten, direkt wieder vom Handy zu löschen. 4K-Aufnahmen in ProRes 422 verursachen dann doch jede Menge Daten… Im fertigen Film sind Bilder von drei Drehtagen verschnitten: die Strandszenen sind an zwei unterschiedlichen Tagen aufgenommen, dazu die Drohnenshots, die morgens entstanden sind (wer genau hinschaut, erkennt es am Sonnenstand).

Schnitt

Der Schnitt lief wie geplant und ohne große Probleme. Ich habe in Davinci Resolve geschnitten und das Log-Material gegraded. Als Problem hat sich der ND-Filter entpuppt, wie sich aber erst im Schnittprogramm richtig herausstellte. Oft musste ich den Vario-ND Filter bis in seine Grenzbereiche drehen, um bei strahlender Sonne die Belichtung bei gleichbleibenden Shutter 1/60 in den Griff zu bekommen. Ärgerlicher Weise hat das dazu geführt, dass viele Bilder zu den Seiten hin einen Helligkeitsverlauf hatten. Das war beim Drehen auf dem Handy-Display mit der Log-Ansicht so nicht zu erkennen. In der Farbkorrektur konnte ich durch entgegengesetzte Helligkeitsverläufe etwas gegensteuern, aber das hat unnötig Zeit, Nerven und Bildqualität gekostet.

Learnings

Ich hatte erst überlegt, den Film auf dem Handy zu schneiden, zum Beispiel mit LumaFusion. Allerdings hätte ich dort Schwierigkeiten aufgrund der Materialmenge (4K in ProRes) bekommen und das Graden und den Helligkeitsverlauf ausbessern, geht am Rechner einfach schneller. Mit Davinci Resolve auf dem iPad Pro M1 oder M2 hätte es sicher gut funktioniert. Ich bin begeistert, von der Bildqualität, wenn man bedenkt, dass hier ein Telefon die Kamera ist. Okay – mit der Linse und dem ND-Filter war etwas mehr Equipment im Einsatz, aber das passt immer noch in die Hosentaschen. Im Making of sind viele Shots vom Gimbal zu sehen (ohne anamorphe Linse und ohne ND-Filter, hauptsächlich mit der Mimo-App und Selfie-Linse gedreht). Der Unterschied im Look fällt auf (hoher Shutter = fehlende Bewegungsschärfe) und das Feeling ist ein anderes. Die letzte Szene im Making of ist mit dem Kino-Modus der iPhone Kamera-App gedreht – das ist nochmal ein komplett anderer Look: besser oder schlechter ist Geschmacksache. Ist eben ein digitaler, aber einfach zu habender „Kinolook“. 

Fazit

Alles zusammen betrachtet, finde ich, dass in bestmöglichster Qualität zu drehen durchaus dazu führt, dass das Ergebnis ein spürbar hoherwertigeres ist, vor allem im Vergleich zu nicht konsequent manueller Kontrolle über das Bild in anderen Apps. Aber der Aufwand beim Dreh ist nicht zu unterschätzen.

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