Mobile Producing


In Londen unterwegs mit iPhone und iPad

Mit dem Smartphone drehen und auf dem Tablet schneiden – für mich die beste Lösung, wenn es um mobiles produzieren von Videos ohne Laptop geht.

Laptop und DSLR/DSLM sind meine bewährten Begleiter für schlankes Produzieren: Kleines Packmaß, leicht und so gut wie alles ist damit möglich. Aber anders als das Handy, trägt man die beiden Gerätschaften nicht immer in der Hosentasche mit sich rum. Ein Smartphone verliert natürlich haushoch im direkten Vergleich mit einem Camcorder oder einer DSLR in Sachen Handling, Bildqualität, Anbaumöglichkeiten usw. Ist ja auch ein Telefon, eigentlich. Allerdings kann man mit entsprechenden Apps doch ganz gut mobil und smart produzieren. Ohne richtige Kamera und ohne Laptop, dafür mit Smartphone und Tablet bin ich nach London geflogen, um unterwegs zu testen, was damit wie gut geht – und was nicht.

Manuelle Kontrolle mit der richtigen Video-App

Bisher habe ich FiLMiC Pro für „ernsthafte“ Videoaufnahmen genutzt, bin damit im großen und ganzen zufrieden gewesen. Mit über 15 € nicht gerade günstig ist die MAVIS Kamera-App, die ein paar mehr Features verspricht. Habe ich mir besorgt und bin ziemlich begeistert. Unter anderem aus folgenden Gründen:

  • Focus Peaking
  • Schärfenverlagerungen über Schiebebewegung möglich
  • Waveform Monitor
  • Drei Speicherplätze für manuell einstellbare Kelvinwerte
  • Shutter und ISO manuell einstellbar
  • Audiopegel manuell regelbar
  • Diverse Bildraten wählbar
  • Bitrate bis zu 50 MBit
  • Aufnahmen können direkt in der Fotos-App gespeichert werden

Super schnell lässt sich die MAVIS App nicht komplett manuell betreiben. Alle Einstellungen sind zwar direkt über das Display erreichbar, aber man muss die kleinen Schaltflächen genau treffen und das ist gar nicht so einfach. Bei Sonneneinstrahlung wird es auch schwer, das Bild über das Display zu beurteilen. Um das iPhone kontrollierter halten und führen zu können, war das Beastgrip Pro Rig mit Weitewinkel dabei – allerdings nicht bei allen Aufnahmen im Einsatz, da das Einspannen des Telefons immer etwas Zeit braucht. Außerdem wollte ich nicht dauernd mit dem Beastgrip in der Hand rumlaufen. Da wäre der Größenvorteil des Smartphones gegenüber einer kleinen DSLM auch schon wieder dahin gewesen. Oft habe ich dann doch das Handy ohne Rig aus der Hosentasche gezogen und Belichtungs- und Schärfenautomatik in der App eingeschalten.

Schnitt und Grading auf dem iPad

Mein iPad der zweiten (!) Generation hatte ich dabei, da mir das Schneiden auf dem kleinen iPhone-Display für mehr als vorne/hinten abschneiden zu fummlig ist. Der Transfer der Aufnahmen von iPhone zu iPad ohne Computer oder Cloud ist simpel: einfach beides miteinander verbinden, das iPad erkennt das iPhone und bietet den Import von Bildern und Videos an. Für den Schnitt hatte ich bisher immer mit der iMovie-App genutzt, wollte aber endlich mal Pinnacle Studio Pro ausprobieren. Was mir daran besonders gut gefällt:

  • Materialauswahl per In- und Outs (werden auch „gemerkt“)
  • Schnelles Verlängern/Verkürzen der Clips auf der Timeline möglich
  • Audio kann vom Video getrennt werden (ideal für J- und L-Cuts)
  • Slowmotion über Prozentwerte einstellbar
  • Frame-genaues Trimmen möglich
  • Loopplay im Trimmmodus
  • „Unterschieben“ möglich
  • Mini-Mischer für Spurlautstärken
  • Ordentlicher Titeleditor
  • Gutes Projektmanagement

Eigentlich vermisse ich nur zwei Features bei Pinnacle Studio Pro: die Möglichkeit Lautstärkenverläufe zu zeichnen und pro Clip Helligkeit, Farbe und Sättigung anpassen zu können. Für das Grading habe ich die VideoGrade App installiert. Damit lässt eine ganz ordentliche und professionelle  Farbkorrektur realisieren, bis in Low/Middle/High Bereiche unterteilt – kein Wunsch bleibt offen. Settings können gespeichert werden. Das einzig Ärgerliche ist, dass sich die Effekte auf den kompletten Film anwenden lassen und nicht auf verschiedene Bereiche unterschiedlich.

Das Fazit

Mein Fazit: Die Kombination Drehen mit dem iPhone, Schneiden auf dem iPad hat sich für mich als smarte, mobile Produktionslösung bewährt. Mit den verwendeten Apps ist deutlich mehr möglich als mit den onboard-Mitteln. Der teilweise hohe Preis der Apps ist meiner Meinung nach gerechtfertigt. Eine Powerbank zum Nachladen für unterwegs ist sehr zu empfehlen, gerade beim Drehen mit dem iPhone ist der Akku schnell leer gesaugt.

Auf dem Beastgrip Rig hatte ich noch eine Weitwinkel-Linse vorgeschraubt. Eine Tele-Linse wäre mir in vielen Situationen definitiv lieber gewesen. Denn auch ohne Weitwinkelaufsatz sind die bildgestalterischen Möglichkeiten mit der iPhone-Optik eingeschränkt. Solange man „nah rangehen“ kann, lassen sich Szenen in Einstellungen auflösen, geht das aber nicht, wird der Film schnell langweilig.